Historie:

[I] Familie und Schloss

Quer durch das Dreieck, das Große und Kleine Vils bilden, führt die Strasse von Velden nach Landshut durch Alt- und Neufraunhofen, zwei alte Adelssitze, nach denen sich eines der bedeutendsten Geschlechter Niederbayerns nannte.
Die Täler der Vils waren schon in keltischer Zeit kultiviert. So können die bayerischen Einwanderer bereits eine Siedlung vorgefunden haben, als sie das alte Fravnhoven gegründet haben. Das römische Straßennetz führte nahe vorbei.

Die Beurkundung aus dem 9. Jahrhundert eines Arnold von Fraunhofen , der mit einer Geisenhausen vermählt gewesen sein soll, ist nicht mehr vorhanden.
Erste sichere Kunde bringt uns die Zeugenschaft eines Adalwarts von Fraunhofen in Kloster Ebersberg 1010-1020. Schon bald häufen sich die urkundlichen Erwähnungen. Die Edlen von Fraunhofen, seit dem Anfang des 11. Jahrhunderts nachweisbar, waren ein Ministerialengeschlecht, das schon im 13. Jahrhundert als größter Grundherr im oberen Vilstal auftrat.
Die „Veste“ Fraunhofen , in der damals Sifrid gesessen haben muss, wird zuerst 1257 anlässlich des Einfalls Ottokars von Böhmen erwähnt. Von hier aus zog Ekart von Fraunhofen zum Kreuzzug aus. Der heutige Stammsitz der Familie gründet auf dem Lehensgut Schenkenöd.

Die Grafschaft Fraunhofen wurde 1431 vom böhmischen König Wenzeslaus als Reichslehen anerkannt, was durch seinen Nachfolger König Sigismund schriftlich beurkundet worden ist. Damit begann ein jahrhundertelanger Streit mit den bayerischen Herzögen. Als Lehensleute des Reiches leiteten die Fraunhofen für sich die Reichsunmittelbarkeit ab, die der Herzog aus verständlichen Gründen – ihm wurde der Einfluss auf die Fraunhofen'schen Hofmarken entzogen – nicht anerkennen wollte. Erst 1701 entschied das Reichskammergericht in Speyer endgültig zugunsten der niederbayerischen Adelsfamilie.
So waren die Fraunhofen allein den obersten Herrschern des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen verpflichtet, nicht den Herzögen der Wittelsbacher.
Der Streit hinderte die Edlen von Fraunhofen jedoch nicht, eine wichtige Rolle in der ständischen Vertretung des niederbayerischen Adels zu spielen und hohe bayerische Staatsämter zu bekleiden.

Thesarus III von Fraunhofen hat den Haupttrakt zu Altfraunhofen gebaut, vermutlich um 1460-80. Es wurden aus dieser Zeit verzierte Ziegelsteine gefunden. Thesarus war derselbe, der als Hofmeister des Herzogs von Bayern-Landshut die berühmte LANDSHUTER HOCHZEIT (1475) maßgeblich zu gestalten hatte. Er reiste zusammen mit dem Bischof von Regensburg im September 1474 zum polnischen König, um die Heirat zu beschließen.
Die italienischen Arkaden an dem erwähnten Bau stammen vermutlich von Georg Thesarus, Präsident des Reichskammergerichts, um 1583.
Die Neufraunhofener Gemarkung umfasste 38 Ortschaften.

Die erste Bauzeit der Schlossanlage in Neufraunhofen liegt vermutlich vor 1400: Es war eine mit Graben versehene Hofanlage, ein Wohnturm (Südbau) und die Kirche, deren Turm vielleicht zugleich den eigentlichen Wachturm der Burg darstellte. Auf diese Weise lässt sich dessen runde Form erklären. In der alten Hofummauerung nahe des Brunnens ist eine Schießscharte erhalten. Aus frühester Zeit stammen ein gotisches Netzgewölbe im alten Wohnturm und die Gedenktafeln für das Erbauerpaar am Kirchenausgang, Wihelm Frawenhoven und Clara von Montfort .

Als freie Reichsherrschaft hatte Neufraunhofen, wie vorher schon das alte Fraunhofen, niedere und hohe Jurisdiktion. Richter und Gerichtsdiener der neuen Teilherrschaft erhielten ihre gesonderten Häuser. Gericht wurde teils im Freien gehalten an der heute noch bekannten Richtstatt . Auch der „Freis(Gerichts)-Anger“ erinnert an diese Zeit.
Zu den vielfältigen Verwaltungsaufgaben der Fraunhofen gehörten etwa die Jagd, der Feuerschutz, das Notariatswesen, die Schule, die Versorgung alter Bediensteter und ein Krankendienst. Es gab ein eigenes kleines Krankhaus in Altfraunhofen beim „Färber“.

Eine maßgebliche Rolle spielte im 17. Jahrhundert noch die Jagd. Sie oblag seit altersher der allein jagdberechtigten Herrschaft, die auch für Schutz vor Raubwild und für Eindämmung der Wildschäden zu sorgen hatte. Obendrein gab es immer noch Wölfe, von denen die Wolfssäule (von 1670) bei Krottenthal erzählt.

1644 – 45 baute Johann Franz die Tafern zur Post , für lange Zeit der einzige Gasthof im weiten Umkreis. Wie der Name sagt, war hier auch eine Hauptpoststation.
Sein Sohn, Johann Franz Ignaz , brachte 1683 den Theobaldimarkt (noch heute ein alljährliches Gemeindefest), der neben einer Theobaldi-Wallfahrt entstanden war, in die inzwischen angewachsene Hofmark. Ignaz war es auch, der die am alten Südbau angrenzenden Ost- und Westflügel des Schlosses baute oder aufstockte und im Anbau an das Schloss 1711 ein Kloster errichten ließ, welches als Kapuziner-Hospiz genutzt wurde.

Carl August Reichsfreiherr von Fraunhofen (1794 - 1865) baute einen modernen Gutsbetrieb auf. Mit neuen Anbaumethoden, Düngern und Geräten revolutionierte er die Landwirtschaft. Gleichzeitig war er auch ein Förderer der Künste. In Neufraunhofen und in seinem Münchner Palais in der Briennerstraße (im 2. Weltkrieg verbombt) versammelte er einen Freundeskreis, dem verschiedene Künstler angehörten.
1860 musste er die Inselburg in Altfraunhofen abtragen lassen. Durch Grundwassersenkung war der Pfahlrost unter den Fundamenten verrottet. Heute sind nur mehr der Wassergraben und eine Insel mit Mauerresten übrig. Doch mit der Pfarrkirche, den dortigen Grabschaften und dem noch bestehenden Patronatsrecht (päpstlich beurkundet) lebt die Erinnerung an das Dynastengeschlecht der Fraunhofen, deren Vorfahren dem Ort einst den Namen gaben, fort.

Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 brachte für Neufraunhofen die Mediatisierung, die Aufhebung der Reichsunmittelbarkeit. Die Fraunhofen teilten damit das Schicksal der Ortenburger. „Hier ist der unglücklichste Tag, sowohl für die hochgnädigste Herrschaft als auch für die Untertanen“, kritzelte der Mesner Zapf am 24. Dezember 1805 in sein Tagebuch. Am frühen Morgen hatte der scharfe Marschtritt einer Kompanie die Menschen in Fraunhofen aufgeschreckt. Die Gewehre im Anschlag, formierten sich die Infanteristen vor dem Torbogen des Schlosses, weithin hallte das Kommando des Kommissärs. Seine Botschaft war unmissverständlich: „Die Bürger der Herrschaft Fraunhofen sind künftighin baierisch.“
Die Soldaten vollstreckten den Befehl des neuen Königs Max I. Joseph und symbolisch hängten sie an die Schlossmauer die bayerischen Wappen. So wechselte in der Herrschaft Fraunhofen der Doppeladler (Kaiserreich) zum Löwen (Königreich Bayern).
1853 baute Carl August das leere Kloster (die Kapuziner-Mönche waren nach der Säkularisation abgezogen worden) zu der von ihm gestifteten Schwesternschule (Orden der armen Schulschwestern) um. Der heutige Schlossherr verbrachte dort noch seine ersten Schuljahre.
1859 erneuerte Carl August das Schlossbenefizium und als Naturfreund ließ er den Park neu anlegen, mit teils exotischen Baumbestand aus Südamerika und Asien, in Form eines englischen Gartens.

Mit Carl August von Fraunhofen endete 1865 die Linie. Der hochverdiente Königliche Kämmerer und erbliche Reichsrat der bayerischen Krone setzte seinen Neffen Maximilian Freiherr von Soden als Erben ein. So konnte das jahrhundertealte Adelsgeschlecht als Familie Soden-Fraunhofen bis heute weiterbestehen.
Der „letzte“ Fraunhofen liegt mit seiner Gemahlin Friederike Freiin von Aretin in der Familien-Gruft begraben. Maximilian setzte ihnen ein von Zumbusch gehauenes Denkmal.

Maximilian Freiherr von Soden wurde 1844 in Ludwigsburg geboren; sein Onkel war der bekannte Ansbach'sche Minister Julius Reichsgraf von Soden , der sich als Nationalökonom, Theaterschriftsteller und Gründer der Theater in Bamberg und Würzburg einen Namen gemacht hat. Max hatte Rechtswissenschaften in Tübingen studiert, gemeinsam mit dem späteren bayerischen König Ludwig III, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Der König machte gerne mal einen Abstecher nach Neufraunhofen.
Der junge Gutsherr ( Maximilian ) bemühte sich sehr um eine gute Bewirtschaftung und neue Ordnung seines Gutes. Er wandte moderne Anbaumethoden (Vierfelderwirtschaft), Techniken und Maschinen an und baute die beiden Schlossbrauereien in Alt- und Neufraunhofen aus. In der Lehrküche im Schloss wurden im Laufe der Jahre vielen jungen Bäuerinnen das Kochen und Hauswirtschaft beigebracht.
Er war schon sehr früh für die Öffentlichkeit tätig (Angehöriger des Reichstags) und machte sich vor allem erfolgreich für die bayerische Landwirtschaft stark. Maximilian setzte sich besonders für die Nöte der bäuerlichen Landwirtschaft und das Genossenschaftswesen ein. Er war u.a. der erste Direktor des Bayerischen-Raiffeisen-Verbandes, Mitbegründer der Bayer. Zentral-Darlehenskasse (später Baywa) und als Mitglied des Eisenbahnrates trat er erfolgreich für die Ausweitung des Lokalbahnnetzes (Velden-Mühldorf-München) ein. Auch war er an den Planungen für den Bau des Walchenseekraftwerkes im oberbayerischen Voralpenland zusammen mit Oskar von Miller maßgeblich beteiligt.
Als späterer Innenminister (ab 1912) konnte er viel Gutes auch für seine engere Heimat vermitteln; er setzte sich – als katholischer Christ zwischen den Liberalen und den Sozialdemokraten stehend – besonders für die Entwicklung der Sozial-, Arbeitslosen- und Invaliditätsversicherung ein.
1915 hat ihn seine Heimatgemeinde Neufraunhofen zum Ehrenbürger ernannt.
Maximilian hat die Schlossbibliothek, die von hohem Bildungsgrad der Fraunhofen zeugt, und das Archiv neu eingerichtet und vor allem die Kirche restauriert.
Als Zeichen der Anerkennung seiner großen Verdienste um die Reform und Entwicklung von Wirtschaft, Kreditwesen und Verwaltung wurde Maximilian von Soden-Fraunhofen im Jahre 1916 von König Ludwig III. in den erblichen Grafenstand erhoben. Er starb 1922 und ist in der Gruft in der Schlosskirche begraben.

Sein Sohn Alfred Graf von Soden-Fraunhofen (1875 – 1944) wurde nach abgeschlossenem juristischem Studium zum Ingenieur. Er arbeitet für Daimler in Untertürkheim, für MAN in Augsburg und schließlich für den Grafen Zeppelin in Friedrichshafen. Er gründete 1915 die Zahnradfabrik Friedrichshafen (damals 500 Mitarbeiter, heute 54.000) und war Technischer Vorstand des Unternehmens von 1918 bis 1944. Ingenieure mit großen Namen scharte er um sich – Männer wie Dornier, Maybach, Dürr oder Graf Zeppelin.
Im Ruf als Vorreiter der Antriebstechnik meldete Dr. Ing. e.h. Alfred Graf von Soden-Fraunhofen 1916 ein von ihm entwickeltes halbautomatisches Getriebe als „Sodengetriebe“ zum Patent an. Das Deutsche Museum in München zeigt dieses Getriebe heute als eine technische Pionierleistung.
1928 überflog der neue LZ 127 „Graf Zeppelin“ auf seinem Probeflug vor der Weltumrundung Neufraunhofen wovon verschiedene Luftaufnahmen zeugen und man warf eine Grußbotschaft ab.

Sein jüngster Bruder, Josef-Maria von Soden-Fraunhofen hatte als junger Diplomat für die bayerische Exilregierung Kahr an den Friedensverhandlungen in Bresk-Litowsk teilgenommen. Später war er Kabinettschef des Kronprinzen Rupprecht; in dieser Funktion wurde er beim Hitler-Putsch Geisel genommen. Wegen seiner bekannten Gegnerschaft zum Nationalsozialismus war er ab 1933 ohne offizielle Verwendung. In den Nachkriegsjahren war Josef-Maria als Diplomat des Malteserordens für die Flüchtlingshilfe verantwortlich.

Carl Oskar von Soden , geboren 1898 in München und gestorben im amerikanischen Exil 1943, gehörte zu den entschiedenen und frühen Gegnern Adolf Hitlers. Er war Jurist, Politiker, Journalist, führender Kopf in der föderalistischen Bewegung der zwanziger Jahre und leidenschaftlicher Priester (Priesterweihe im Freisinger Dom 1931). Carl Oskar von Soden stand in engem Kontakt mit Kaiser Karl von Österreich und Richard Coudenhove-Kalergi. Er gehörte zu den Autoren der 1933 verbotenen „Allgemeinen Rundschau“.

Das Schloss wurde während des 2. Weltkrieges Gott sei Dank nicht zerstört. Um die kostbaren Dokumente des Bayerischen Staatsarchivs vor den zerstörerischen Bombennächten in München zu retten, wurden Teile dieses Archivs in Neufraunhofen ausgelagert. So stand das Schloss unter besonderem Protektorat. Am Ende des Krieges und in den folgenden Jahren, diente das Schloss als Lazarett der amerikanischen Besatzungsmacht und zur Unterkunft von Flüchtlingen, die aus Schlesien nach Niederbayern gekommen waren.

Die Schlossanlage ist in ihren Grundzügen erhalten geblieben und somit ein Kulturdenkmal ersten Ranges. Das geschlossene Ensemble vermittelt noch heute, im 21. Jahrhundert, wie das Wirtschafts- und Verwaltungszentrum einer altbayerischen Hofmark angelegt war. Das dreiflügelige Gebäude zieht sich um die Schlosskirche, deren Turm der Blickfang des Innenhofes ist.
Man kann daraus ersehen, dass eine Hofmark wie Neufraunhofen ein autarker Wirtschaftsbetrieb war. Neben der ausgedehnten Landwirtschaft kann man heute noch die alte Schmiede ausmachen. An der Nordseite der Schlosskirche war sogar eine Brauerei und eine Obstkelterei angebaut.

Die weitläufig und überwiegend barock geprägte Gesamtanlage mit Schlosskirche, ehemaligem Kapuzinerhospiz und sowie Verwaltungs- und Ökonomiegebäuden bildet im Rahmen von Park und Garten ein einmaliges Ensemble. Der Sitz als reichsunmittelbare Kleinresidenz wird deutlich.

Das Schloss ist heute Wohnsitz der gräflichen Familie von Soden-Fraunhofen und Sitz ihrer forst- und landwirtschaftlichen Gutsverwaltung. Es ist daher der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Auf Anfrage können restaurierte Stallungen und der Schlosshof um das Fliederrondell für Veranstaltungen oder Feierlichkeiten gemietet werden.

Niedergeschrieben von Graf Carl von Soden-Fraunhofen am 05.06.2005 in Neufraunhofen